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AI Around the World: Südkorea

  • Autorenbild: Arian Okhovat Alavian
    Arian Okhovat Alavian
  • 10. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Was Europa von einem digitalen Vorreiter lernen kann. 

Stadtansicht von Seoul bei Sonnenuntergang mit dem Text „AI Around the World: South Korea – 대한민국 – PANTA RHAI“ in weißer Schrift im Vordergrund.

 

Die meisten denken bei Südkorea an K-Pop, Highspeed-Internet und Samsung. Was oft übersehen wird: Das Land ist längst ein zentraler Knotenpunkt der globalen KI-Entwicklung – technisch, politisch, wirtschaftlich. Und das nicht zufällig. Südkorea investiert strategisch in Zukunftstechnologien, fördert Talente systematisch und hat einen bemerkenswert nüchternen Blick auf die Risiken künstlicher Intelligenz. 

Der Blick lohnt sich – nicht nur wegen der beeindruckenden Innovationskraft, sondern auch wegen der Fragen, die Südkorea uns stellt: Wie reguliert man Technologie, ohne sie zu bremsen? Wie schafft man Vertrauen, ohne naiv zu sein? Und wie gelingt der Spagat zwischen Industriepolitik und gesellschaftlichem Fortschritt? 


Digitale Basis, industrielle Stärke


98 % der Bevölkerung online, nahezu flächendeckende Smartphone-Nutzung, 5 % des BIP für Forschung – Südkorea ist digital bis in die Haarspitzen. Gleichzeitig ist das Land Weltmarktführer bei Speicherchips und Robotik. Diese Kombination – starke Infrastruktur, industrielle Tiefe und innovationsfreundliche Bevölkerung – macht Südkorea zum idealen Testfeld für KI-Anwendungen in der Breite. 

Der Moment der Selbstverortung kam 2016: Als AlphaGo den Go-Meister Lee Sedol besiegte, war das für viele ein Schock – und ein Weckruf. Die Regierung reagierte schnell, strukturierte Förderprogramme, gründete eine nationale KI-Strategie, baute Rechenzentren, vernetzte Hochschulen mit Industrie. Das Ziel: nicht hinterherlaufen, sondern mitgestalten. 


KI im Alltag: konkret, praktisch, wirkungsvoll 


Was anderswo noch Pilotprojekte sind, ist in Südkorea oft Realität: 


  • In der Medizin helfen KI-Systeme wie die von Lunit oder Coreline Soft bei der Krebsdiagnostik – nicht nur in Korea, sondern längst auch in europäischen Kliniken. 

  • In der Industrie optimieren Smart Factories bei Hyundai oder POSCO Produktion und Qualität – unterstützt durch staatliche Programme für kleine und mittlere Unternehmen. 

  • In Banken und Plattformen übernehmen KI-Modelle wie NAVERs HyperCLOVA Sprache, Suche, Empfehlungen. Kein Importmodell, sondern ein Sprachmodell auf Augenhöhe mit GPT-3 – entwickelt aus der Region, für die Region. 

  • Auch der öffentliche Sektor denkt mit: Von KI-gestützter Verkehrssteuerung in Seoul bis zur Teststadt Gwangju, wo neue Technologien im Realbetrieb erprobt werden. 


Fortschritt mit Rahmen: Ethik, Regulierung, Debatte


Südkorea zeigt, dass ein Land KI nicht einfach nur fördern, sondern auch gestalten kann. Schon 2020 wurden Ethikrichtlinien veröffentlicht – mit Prinzipien wie Fairness, Transparenz, Datenschutz. 2023 folgte das erste nationale KI-Gesetz außerhalb Europas: Der "AI Basic Act" regelt Hochrisiko-Anwendungen, fordert Nachvollziehbarkeit und schafft staatliche Kontrollinstanzen. 

Aber auch Fehltritte bleiben nicht aus. Der Fall des Chatbots "Lee Luda" – ein KI-Avatar, der aus echten Nutzerdaten ohne Einwilligung trainiert wurde – führte zu öffentlichem Aufschrei und Sanktionen. Gleichzeitig sorgte der Einsatz von Gesichtserkennung bei der Pandemiebekämpfung für Debatten um Überwachung und Privatsphäre. Südkoreas Stärke: die Bereitschaft, aus solchen Fällen zu lernen – und politische Konsequenzen zu ziehen. 


Blick nach vorn: Chips, Talente, globale Allianzen


Die Richtung ist klar: Südkorea will unter die Top 3 der globalen KI-Nationen. Dafür investiert die Regierung über sieben Milliarden US-Dollar in KI-Hardware – etwa spezialisierte Chips für neuronale Netze. Großkonzerne wie Samsung und SK Hynix ziehen mit, bauen Fabriken, Rechenzentren, Forschungseinheiten. 

Parallel dazu läuft eine riesige Bildungsoffensive: Bis 2026 sollen eine Million Menschen in digitalen Kompetenzen ausgebildet werden – vom Schulkind bis zur Fachkraft im Quereinstieg. Und international positioniert sich das Land als Brückenbauer: bei globalen KI-Gipfeln, in Forschungspartnerschaften mit Universitäten wie der NYU, als Mitglied in OECD- und UN-Gremien. 

 

Was Europa mitnehmen kann


Südkorea zeigt, dass Fortschritt nicht laut sein muss. Dass staatliche Steuerung nicht Stillstand bedeutet. Und dass Vertrauen in Technologie wachsen kann – wenn man transparent bleibt, Debatten zulässt und bereit ist, Fehler einzugestehen. 

Für Europa heißt das: Wir brauchen keine Kopie des südkoreanischen Modells. Aber wir können uns inspirieren lassen – von einem Land, das pragmatisch vorangeht, ohne Prinzipien über Bord zu werfen. Das auf Talente setzt, statt nur auf Technik. Und das zeigt: Digitale Souveränität beginnt nicht mit großen Worten, sondern mit konsequentem Handeln. 

 

Die nächste Station der AI Around the World-Serie? Vielleicht Kanada. Vielleicht Kenia. Die Reise hat gerade erst begonnen. 


 

AI Around the World ist ein neues Format bei PANTA RHAI. In jeder Ausgabe blicken wir tief in ein Land: Wie wird dort KI verstanden, gefördert, reguliert – und eingesetzt? Wir erzählen Geschichten über Technologie und Gesellschaft, über politische Strategien und konkrete Anwendungen. Nicht aus der Vogelperspektive, sondern nah dran. Denn wer Künstliche Intelligenz ernst nimmt, muss global denken – und lokal verstehen. 

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