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Europa will KI-Kontinent werden. Jetzt muss es liefern.

  • Autorenbild: Arian Okhovat Alavian
    Arian Okhovat Alavian
  • 17. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Mit dem AI Continent Action Plan präsentiert die EU-Kommission ihre ambitionierteste Digitalstrategie seit Jahren. Ziel: Europa technologisch souverän machen – und endlich wettbewerbsfähig im globalen KI-Rennen. Der Plan setzt auf Supercomputer, Datenräume, Talente und Regulierung mit Augenmaß. Ein Kraftakt, der notwendig ist. Und lange überfällig.

Ein Kommentar von unserem KI-Experten Arian Okhovat.


Grafik mit dem Logo der Europäischen Kommission und dem Text: „THE AI CONTINENT ACTION PLAN – to make Europe a global leader in AI“. Ziel ist es, Europa als weltweit führenden Standort für Künstliche Intelligenz zu positionieren. Unten steht der Hashtag #AIContinent. Gestaltung in Blau mit orangen Akzenten.

 

Infrastruktur: Die Basis für digitale Souveränität


Rechenleistung ist das neue Rohöl der Digitalisierung. Wer KI entwickeln will, braucht skalierbare Infrastruktur – leistungsfähig, zugänglich, unabhängig. Genau hier setzt der AI Continent Plan an: mit einem Netzwerk aus offenen „AI-Factories“ rund um Europas Supercomputer, ergänzt durch geplante „Gigafactories“, die Hunderttausende Hochleistungsprozessoren bündeln sollen.


Damit adressiert die EU eine strategische Schwäche. Denn bislang waren europäische Entwickler:innen oft gezwungen, auf nicht-europäische Cloud-Dienste zurückzugreifen – mit allen Konsequenzen für Datenschutz, Kontrolle und Wettbewerbsfähigkeit. Wenn es gelingt, diese neue Infrastruktur nicht nur zu bauen, sondern auch effizient nutzbar zu machen, wäre das ein echter Systemwechsel. Auch wir bei PANTA RHAI stehen oft vor genau diesen Herausforderungen, wenn wir skalierbare Lösungen entwickeln. Zwar gibt es vereinzelt Nischenanbieter – häufig US-amerikanischer Herkunft, aber in Europa gehostet –, doch sind sie mitunter teuer und unflexibel. Eine eigene Cloud-Infrastruktur aufzubauen ist meist nur unseren großen Unternehmenskunden vorbehalten. Der neue „AI Continent Plan“ weckt jedoch Hoffnung, diese Lücke zu schließen und langfristig nachhaltige, europäische Alternativen zu schaffen.

 

Datenräume: Aus Fragmentierung wird Markt


Rechenpower allein genügt nicht. Wer mit KI arbeiten will, braucht Daten – strukturierte, hochwertige, zugängliche Daten. Der Plan sieht vor, über „Data Labs“ europäische Datenräume in einen gemeinsamen Markt zu überführen. Ziel ist eine harmonisierte, DSGVO-konforme Datenökonomie, die Innovation erlaubt, ohne Grundrechte zu gefährden.

 

Das ist ein schmaler Grat – aber einer, den Europa gehen muss. Nur wenn Daten rechtssicher und skalierbar verfügbar sind, entsteht ein ernstzunehmendes Ökosystem für KI made in Europe.

 

Talente: Europas eigentliche Ressource


Technologische Souveränität beginnt beim Menschen. Der AI Continent Plan setzt klare Prioritäten in der Ausbildung, Weiterbildung und Rückgewinnung von Fachkräften. Mit einer „AI Skills Academy“, Stipendienprogrammen und gezielter Talentmigration will die EU die Abwanderung stoppen und Europas Kompetenzbasis stärken.


Entscheidend wird sein, ob diese Programme über Pilotstatus hinauswachsen – und ob sie den tatsächlichen Bedarf der Wirtschaft treffen. Der Fachkräftemangel im KI-Bereich ist kein Zukunftsszenario, sondern Realität. Ohne konsequente Umsetzung bleibt auch dieser Teil des Plans ein Lippenbekenntnis.

 

Regulierung: Weg von der Defensivhaltung


Europas Stärke liegt in der Regulierung – oft aber auch seine Schwäche. Mit dem AI Act hat die EU weltweit Standards gesetzt. Gleichzeitig ist der Spagat zwischen Schutz und Innovation komplex. Der Action Plan versucht, diesen Spagat zu operationalisieren: durch Beratungsstellen, Standardisierungshilfen, Testumgebungen und potenziell sogar Nachjustierungen im Regelwerk.


Dabei setzt die EU gezielt auf den Input von (europäischen) KI-Expert:innen aus der Praxis, um die regulatorischen Anforderungen agil und realitätsnah zu gestalten. Ein konkretes Beispiel dafür ist der „Code of Practice“ zum AI Act, in dessen verschiedenen Arbeitsgruppen auch ich selbst als Experte mitwirke. Dieser direkte Einbezug von Praxiswissen ist ein entscheidender Schritt, um regulatorische Klarheit und technologische Machbarkeit in Einklang zu bringen. Der Plan erkennt das grundsätzlich an – bleibt aber weiterhin vage, wenn es um konkrete Vereinfachungen geht. Hier braucht es noch mehr Mut zur Praxis.


Europas Weg: Vertrauen als Standortvorteil


Was Europa im globalen Vergleich unterscheidet, ist nicht Rechenleistung oder Kapital – sondern Haltung. Der AI Continent Plan positioniert Europa explizit als Alternative: Open Source statt Blackbox, Interoperabilität statt Plattformdominanz, Datenschutz als Standortfaktor. Projekte wie OpenEuroLLM stehen exemplarisch für diesen Weg.

Ob daraus ein echter Wettbewerbsvorteil wird, entscheidet sich an der Umsetzung. Die politische Botschaft ist klar: Europa will nicht kopieren, sondern gestalten – und dabei den eigenen Werten treu bleiben.

 

Ein Plan mit Potenzial – aber kein Selbstläufer


Der AI Continent Action Plan formuliert den richtigen Anspruch: Europa muss technologisch souveräner, wettbewerbsfähiger und innovativer werden. Dafür braucht es Infrastruktur, Daten, Talente – und einen regulatorischen Rahmen, der nicht lähmt, sondern befähigt.

Die Architektur des Plans ist überzeugend. Doch wie so oft in Brüssel gilt: Entscheidend ist nicht, was beschlossen wurde – sondern was davon Wirklichkeit wird. Europa hat die Mittel, sich als KI-Kontinent zu positionieren. Aber nur, wenn der politische Wille zur Umsetzung genauso groß ist wie die Ambition auf dem Papier.


Die Publikation des Eu-Parlaments und den Action Plan als Download findet ihr hier .

 
 
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